Inhalt |
Opernsänger setzt als Bürstenmacheralte Tradition fort
Bernburg/dpa. Wer in das kleine Geschäft von Michael Matthes in Bernburg kommt, verliert schnell den Überblick. Bis unter die Decke ist der vielleicht 16 Quadratmeter große Raum mit Besen, Bürsten und Pinseln voll gestopft. Sie liegen in Regalen, auf der eichenen Verkaufstheke, hängen an Haken auf Stangen oder liegen in unzähligen Schubkästen der alten Ladeneinrichtung. «Ich führe rund 1000 Sorten», sagt der 49-Jährige, den alle nur Bürsten-Matthes nennen. Seit mehr als zehn Jahren fertigt er als einer der letzten in Deutschland in Handarbeit Bürsten aller Art - in eigener Werkstatt gleich neben dem Laden. Eigentlich hatte sich Matthes den schönen Künsten verschrieben, hatte als Opernsänger große Arien intoniert und sein Publikum verzückt. Doch Anfang der neunziger Jahre, als Bühnen schlossen und Theaterleute weniger gefragt waren, beschloss er, sich fortan einer traditionellen Handwerkskunst zu widmen, die auszusterben droht. Ein hochbetagter Freund und Bürstenmachermeister, der wenig später starb, weihte ihn in die Geheimnisse der Zunft ein und brachte ihm die alten Techniken bei. «Seither lässt mich diese Faszination nicht mehr los», sagt er. «Es ist nicht nur die Zweckmäßigkeit des Artikels, es ist auch seine Schönheit.» Manchmal vergisst Matthes die Zeit, wenn er sich auf den harten Schemel an seiner Werkbank setzt und anfängt, wie vor 150 Jahren Bürsten zu fertigen. Gewaschen, gekocht und getrocknet wird das Ross-, Wildschwein- oder Ziegenhaar, ehe es auf der so genannten Hechel nach groben Längen sortiert und danach durch einen Metallkamm gezogen wird. Penibel zieht er dann kleine Bündel mit Hilfe eines Drahtes in die Löcher des lackierten, polierten oder geölten Bürstenkörpers, zum Schluss bringt er die Borsten mit einer Schere gekonnt auf gleiche Länge. Statt sie mit Draht zu befestigen, können die Borsten auch mit heißem Pech eingeklebt werden - manchmal wirft Matthes deshalb seinen uralten Pechkessel an. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind eindrucksvoll im Geschäft zu bestaunen, in dem allein der Meister den Überblick behält und ein handgeschriebenes Pappschild Kunden höflich darauf hinweist, dass hier keine Selbstbedienung herrscht. Besen mit Stirnbart für Räume mit vielen Ecken, Wiener Wandbesen für Spinnweben an der Wand, Feger für Schränke oder Teppiche, Zahnbürsten aus Dachshaar, Straßenbesen aus Palmenfasern, Massage-, Toiletten-, Kleider- oder Tierbürsten, Rasierpinsel, Friseurnackenpinsel, Tischbesen aus Reisstroh, Scheuerbürsten, Besen für Backöfen oder zur Reinigung von Straßenbahnweichen: «Es gibt kaum eine Bürste, die ich nicht habe», sagt Matthes nicht ohne Stolz. Und übertreibt damit kein bisschen. Seine Kundschaft weiß, dass sie bei ihm «gehobene Qualität» erwarten kann. «Die hat dann natürlich ihren angemessenen, aber bezahlbaren Preis», sagt der Meister, dem 99-Cent-Klobürsten und andere maschinell hergestellte Massenware ein Gräuel sind. Stammkunden hat er vor allem in der Region, aber auch in vielen anderen Teilen Deutschlands - einige so genannte Butterbürsten gingen sogar nach Amerika. Weil sein kleines Geschäft in Bernburg nicht immer voller Kunden ist, bietet Matthes seine Waren regelmäßig auch auf Mittelaltermärkten oder Schlossfesten feil. «Ich sehe mich als haarige Bastion in all dem Billigwirbel und dieser Wegwerfgesellschaft, passe für manche nicht mehr so recht in diese Zeit», meint der bärtige Bürstenmacher, der direkt über seinem Geschäft wohnt. «Aber Bürsten sind eben mein Leben.» Für die Zukunft hat er ein großes Ziel: «Ein Bürstenmuseum wäre mein Traum.» |
Markttermine Bitte erfragen: Tel: 03471 / 370194oder per e-mail: |